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Fahrwerksoptimierung

Typische Fahrwerksprobleme älterer Motorräder

Sogenannte „Klassiker“ neigen oft schon bei moderaten Geschwindigkeiten (100-140 km/h) zum Pendeln. Fahrwerksmodifikationen wie Kegelrollenlager im Lenkkopf, Nadellager oder passgenaue Gleitbuchsen als Schwingenlager, Kastenschwinge und auch das Versteifen des Rahmens durch eingeschweißte Verstärkungsstreben oder Bleche bringen nicht immer den erhofften Durchbruch. Das Pendeln, das zu lebensbedrohlichen Situationen führen kann, bleibt.
Ursache sind meist Spiele in Schwingenlagerung, Radachsenaufnahmen sowie ein unrunder Sitz des Lenkkopflagers. Hinzu kommt, dass selbst ein unfallfreier Rahmen die vorgegebenen Toleranzen nicht immer einhält bzw. diese Toleranzen der Rahmengeometrie vom Hersteller oft sehr großzügig gewählt wurden.
Und dann noch die Federelemente:
- ist die Gabel in Ordnung ? Vielleicht zu hohes Spiel ? Verspannt ?
- Wie alt ist das Gabelöl ?
- tut das Federbein hinten eigentlich noch das, was es soll ?
- sind die alten Speichenräder noch stabil?
- Radlager in Ordnung?
- Motorhalterungen (der Motor trägt mit) fest?

Lenkkopflager

Durch unrunde Lagersitze im Lenkkopf können die Lagerschalen ihre von Haus aus runde Form nicht mehr einhalten. Sie werden schon beim Einbau oval gedrückt. Am sensibelsten reagieren hierauf die hochgeschätzten Kegelrollenlager, die "alten" Kugellager sind da konstruktionsbedingt unempfindlicher. Allerdings benötigen letztere einen absolut winkligen Sitz um sauber zu funktionieren, welcher auch nicht immer gegeben ist.
Um dieses Problem korrekt zu beheben müssen die Lagersitze nachbearbeitet werden, was neben Schraubarbeit entsprechendes Fachwissen und die erforderliche Gerätschaft voraussetzt. Darauf hat sich zum Beispiel der gute Emil Schwarz spezialisiert. Ist der Lagersitz im Lenkkopf sauber nachgearbeitet, sollte gleiches mit dem Lenkdorn geschehen.
Eine weit verbreitete, einfachere, kostengünstigere aber unvollständige Lösung besteht darin, Untermaßlager zu verwenden, welche bei der Montage eingeklebt werden.

Rahmen und Aufnahmepukte

Die Bohrungen der Schwingachse im Rahmen sind oft genug soweit ausgeschlagen, dass hier ein ganzer Millimeter Spiel entsteht und eine saubere Führung der Schwinge unmöglich ist. Ebenso häufig kommt es vor, dass diese Bohrungen zueinander versetzt sind, was eine Verbiegung der Schwingenachse bei der Montage zur Folge hat.
Um dieses Problem zu beseitigen wird der Rahmen auf ein Bohrwerk aufgespannt und die Achsaufnahme genau fluchtend gebohrt. Danach wird die Bohrung ausgebüchst und auf Fertigmaß gerieben. Das danach zur Steckachse vorhandene Spiel hält sich im Bereich einiger hundertstel Millimeter. Anschließend werden die Geometrieabweichungen zwischen Lenkkopf und Schwingenaufnahme korrigiert. Wenn jetzt noch der Motor spannungsfrei montiert wird, ist der Rahmen besser als neu und mit intakter Peripherie wackelt nix mehr.

Schwingenlagerung

Es gibt – oder gab – bei bekannten Teilediscountern Ersatz für verschlissene Schwingenlager für wenig Geld. Doch einfach ein tolles Nadellager einbauen ist nicht sinnvoll. Das Problem ist zwar für den Moment zumindest einigermaßen behoben, taucht aber bald wieder auf.
Die viel gepriesenen Nadellager haben nämlich einige konstruktive Nachteile: die enorme Kraft der Schwinge auf die Schwingenaufnahme soll bei Nadellagern über die schmale Auflagefläche einiger Rollen übertragen werden. Schnell bilden sich dort Druckstellen und es entsteht Spiel.
In der Schwinge sind die Sitze der Schwingenlager selten rund, was – wie beim Lenkkopflager – zu ungleich verteiltem Druck führt. Die wenigen Lagernadeln, die spielfrei sitzen werden überlastet und verschleißen rasend schnell.
Meine Erfahrung hat mich gelehrt, dass Lagerbuchsen aus Rotguß, die nach dem Einpressen in die Schwinge korrekt auf ein Lagerspiel von 3 hundertstel Millimetern gerieben wurden am besten funktionieren und bei entsprechender Abdichtung und Schmierung (Schmiernippel einbauen) tatsächlich 100000 Km halten können.

Radachsen und Lager

Die Radachsen sind vor allem an den Lagerstellen auf Genauigkeit im Durchmesser und Druckstellen zu kontrollieren. Natürlich müssen sie auch absolut gerade und rissfrei sein. Achsen, die Druckstellen oder Verbiegungen aufweisen sind grundsätzlich zu ersetzen!
Wie bei der Schwingenaufnahme sollte die Radachse nur ein kleines Spiel aufweisen, dass gerade noch die Montage zulässt.

Die Radlager in den Rädern und das der Kettenradaufnahme (falls vorhanden) sollten regelmäßig geprüft und nach spätestens 50000 Km Laufleistung erneuert werden. Bei der Montage der Radlager ist der spannungsfreie Sitz und die korrekte Montage der Distanzhülsen höchst wichtig. Die Lager dürfen keinerlei Seitenkräften ausgesetzt werden.

Obige Abschnitte stellen heraus, dass Genauigkeit und sauberes Arbeiten auch am Fahrwerk wichtig ist.

Kettenantrieb

Die Kette darf nicht stramm sein auch wenn das Wort "Kettenspannung" es impliziert! Ein gewisses Spiel zum Ausgleich der Längenänderung beim Einfedern ist absolut erforderlich. Bei vielen Motorrädern ist auf dem Kettenschutz ein Aufkleber, der die korrekte Einstellung erklärt. Im Zweifelsfall im Handbuch nachsehen oder beim Händler deines Vertrauen nachfragen.
Eine verzogene Kette, die mal lose und mal stramm wird, sollte sofort erneuert werden. Der Verzug kommt – wenn nicht von einem unrunden Kettenrad – von verschlissenen Nietbolzen der Kette und lässt den Schluß zu, dass einige Bolzen am Ende ihrer Lebensdauer und kurz vor dem Abscheren stehen. Bricht ein Bolzen, reißt die Kette unter Last ab und schlägt im günstigsten Fall nur ein Loch in das Motorgehäuse. Sie kann jedoch auch das Hinterrad blockieren, das Bein des Fahrers oder Sozius erwischen oder in den nachfolgenden Verkehr einschlagen.

Es ist schon sehr lange her, da hat ein vorausfahrendes Motorrad seine Kette über mich hinweg in einen PKW hinter mir geworfen. Als ich sah, wie diese Kette Windschutzscheibe und das Blech des Autodachs durchschlagen hatte, wurde mir klar, wieviel Glück wir alle drei hatten.

Bereifung

Die Reifen werden oft genug vernachlässigt. Es gibt immer wieder Motorradfahrer, die wegen Fahrwerksproblemen die Werkstatt aufsuchen und nur 1 bar Luftdruck im Vorderreifen haben.
Also: Regelmäßig – spätestens alle 14 Tage - den Luftdruck prüfen.
Über die Wahl der Reifen will ich hier nicht großartig eingehen. Nur soviel:
Es sollten nur Reifen verwendet werden, die für das Motorrad zugelassen und/oder sinnvoll sind und nicht länger als 3 Jahre gelagert haben. Ist der >Reifen älter als 6 Jahre, würde ich ihn ohne Rücksicht auf Kosten oder noch zu erwartende Laufleistung ersetzen. Ein Reifen verliert mit steigendem Alter Haftungs- und Dämpfungseigenschaften. Und wenn die Haftung flöten ist, sind die Kosten für Sturzteile höher als neue Reifen. Von den damit verbundenen Schmerzen mal abgesehen.

verspannte Gabel

Ist das Losbrechmoment der Gabel zu hoch, könnte sie verspannt sein.
Um die Verspannung zu lösen, müssen folgende Schritte ausgeführt werden:

- Motorrad so aufbocken, daß das Vorderrad keinen Bodenkontakt hat und Gabel sowie Lenkkopf frei beweglich sind.
- Vorderrad, Kotflügel, die Klemmung der unteren Gabelbrücke und die Steuerkopfmutter ordentlich lockern
- Kontrollieren, daß alles komplett locker ist und nichts mehr spannt.
- Verschraubungen in folgender Reihenfolge festziehen:
1. Klemmung der Standrohre in der unteren Gabelbrücke
2. Vorderradbefestigung (erst Mutter der Achse, dann Achsklemmung)
3. Steuerkopfmutter, Klemmung der Gabelbrücke oben
4. Kotflügelbefestigung (und ev. Gabelstabi)

nun sollte das Losbrechmoment der Gabel geringer sein.

Diese Vorgehensweise hilft nur, wenn alle Teile in Ordnung sind und nichts verbogen ist.
Zudem zielt die obige Beschreibung auf eine Standard-Telegabel ab. Es kann nicht auf alle Bauarten und kleine Unterschiede eingegangen werden.

Für Fehler in diesem Text oder Schäden, die durch Befolgen dieser Beschreibung entstehen oder später auftreten, übernehme ich keinerlei Haftung!